Interview mit dem Erfinder des Sensorischen Weinbilds:
Martin Darting macht Aromen sichtbar und erklärt, wie man Weinbilder im Verkauf nutzen kann.
Die meisten Menschen haben mit Weinbeschreibungen wie „gut eingebundene Säure“ oder „harmonisch im Abgang“ so ihre Schwierigkeiten, denn wenn wir ehrlich sind, ist unsere Sprache einfach zu begrenzt, um Sinneseindrücke wie Duft, Geschmack oder gar Gefühle präzise darzustellen. Der Winzer und Sensorik-Experte Martin Darting hat sich daher etwas eingehender mit dem Phänomen der Synästhesie beschäftigt und eine Methode entwickelt, Weine bildlich zu beschreiben. Er malt Bilder, die den Geschmack eines Weines wesentlich exakter vermitteln, als jede verbale Beschreibung.
Herr Darting, Sie verkosten einen Wein und malen dazu ein Bild. Inwiefern eignen sich Formen und Farben besser zur Beschreibung von Sinneseindrücken als Worte?
Darting: Auf die Frage: „Welche Farbe hat Säure?“ antworten die meisten Menschen „gelb bis grün“. Ebenso wird süßer Geschmack als rund oder weich und säuerlicher Geschmack als spitz oder kantig bezeichnet. Diese Assoziationen werden von allen Menschen sehr ähnlich erlebt. Als Synästhetiker habe ich konkrete Farbeindrücke, wenn ich etwas schmecke oder rieche. Wenn ich ein Sensorisches Weinbild male, halte ich diese Eindrücke systematisch auf der Leinwand fest. Das hat nichts mit Kunst zu tun, sondern ist eine Art Inhaltsstoffe zu dokumentieren.
Wie überprüfen Sie, ob Ihre Darstellung verstanden wird?
Darting: Wir haben das auf verschiedenste Arten getestet. Die einfachste Methode: Wir präsentieren unseren Probanden 5 Weinbilder und bitten sie, die 5 dazugehörigen Weine intuitiv zuzuordnen. Selbst bei sensorisch ungeschulten „Weintrinkern“ erreicht die Methode eine Wiedererkennungsquote von bis zu 80 Prozent.
Die gängigste Art der Weinbeschreibung ist ja derzeit die verbale. Warum können Ihrer Meinung nach so viele Menschen nur wenig damit anfangen und wie unterscheidet sich die Beschreibung in Formen und Farben von der konventionellen Methode?
Darting: Das liegt daran, dass Geschmacks- und Geruchserlebnisse immer „auf einmal“ stattfinden. Sie werden holistisch wahrgenommen, das heißt sie teilen sich nicht in Einzelsequenzen auf. Beim Bild ist das auch so. Bei Texten hingegen kommt ein Wort nach dem anderen. Deshalb ist der Informationsgehalt eines Sensorischen Bildes um ein Vielfaches größer als der eines Textes.
Wie entsteht ein solches Bild?
Darting: Am Anfang steht eine chemische Analyse des Weins, in der ich Säure, Süße, Alkohol, Tanningehalt, etc. erfasse. Dann folgt eine PAR-Analyse, die darauf eingeht, welche Aromen enthalten sind. Daraus ergibt sich eine Profilkurve. Manche Weine haben zwar viel Säure, schmecken aber nicht sauer, weil sie auch viele Mineralstoffe haben, die die Säure puffern. Dann wird gerochen und geschmeckt, und dann male ich das Bild auf Grundlage der Kurve.
Wie kann man die Bilder ganz konkret im Verkauf einsetzen?
Darting: Das ist eine ganz intuitive Sache: Wenn Sie einem Kunden ein solches Weinbild zeigen, wird er Ihnen ganz spontan sagen können, ob ihm das Bild gefällt oder nicht. Ebenso wird es sich mit dem dazugehörigen Wein verhalten. Gefällt Ihrem Kunden das Bild, schmeckt ihm auch der Wein.
Das kann man auch sehr effektiv in der Etikettengestaltung einsetzen. So können Sie Ihr Produkt gleich so darstellen, dass es die richtigen Leute anspricht. Eine Kaufentscheidung hängt schließlich immer ganz maßgeblich von der Verpackung ab – das ist beim Wein nicht anders.
Hier wäre ein Beispiel. Der erste Eindruck ist sehr positiv, also gehe ich davon aus, dass mir der Wein schmeckt. Kann ich noch mehr daraus „lesen“?
Darting: Absolut! Oben links auf dem Bild sieht man, wie die Weine riechen, nach unten rechts kommt dann der Geschmack, die zeitliche Reihenfolge der Empfindungen ist von links oben nach rechts unten dargestellt. Je größer das Bild ist, desto intensiver ist der Geruch, je stärker die Farbe ist, desto intensiver erleben Sie den Geschmack. Die Art der Pigmentierung stellt das Mundgefühl dar: Spitz oder rund.