Über den Sinn elektrochemischer Analysen von Weinen von Bernhard Staller

Gemeinsam mit Spezialisten wollen wir Ihnen Informationen zu ausgewählten Themen rund um die Weinqualität liefern. Wir beginnen mit einem Beitrag von Bernhard Staller, der seit 1999 Geschäftsführer der Fa. EQC ist und sich im Schwerpunkt mit der elektrochemischen Messung von Lebensmitteln beschäftigt.

Bernhard Staller sagt: „Die Charakterisierung von Lebensmitteln mit Hilfe der analytischen Chemie durch Angaben zu den Inhaltsstoffen beschreibt nur die Verpackung, sagt aber sehr wenig über deren Inhalt aus, was eigentlich für die Gesundheit und das Leben existentiell ist.

Weinwissen 1: Was haben Elektronen mit Weinqualität zu tun?

Alles Leben auf der Erde, mit Ausnahme weniger Bakterienstämme, hängt direkt oder indirekt von der Sonne ab. In den Chloroplasten der Pflanzen wird die von der Sonne ausgehende Strahlung absorbiert und in chemisch gebundene Energie in Form von Kohlenhydraten umgewandelt.

In einem universellen Prozess, der in seiner Gesamtheit als Photosynthese bezeichnet wird, nehmen die Pflanzen Kohlendioxid und Wasser aus der Umgebung auf und produzieren, unter Einbeziehung der energiereichen Strahlung des Sonnenlichtes, Kohlenhydrate und Sauerstoff.

Energie

6CO2 + 6H2O                C6H12O6 + 6 O2

Mit einem geschätzten Jahresumsatz von 200 – 300 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ist dies der quantitativ bedeutendste chemische Prozess auf der Erde. Die bei diesem Vorgang in den Kohlenhydrat- oder Zuckermolekülen gespeicherte Energie nutzen Menschen und Tiere zur

Aufrechterhaltung ihrer Lebensprozesse, indem sie diese komplexen Verbindungen in kleinere Teile aufspalten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn diese Moleküle ein sehr niedriges Redoxpotential besitzen und dabei Elektronen an andere Moleküle mit einem positiveren Redoxpotential abgeben können. Bei diesem Vorgang entstehen einerseits wieder energiereiche Verbindungen, allerdings mit geringerer Energie als das Ausgangsprodukt, und „Elektronenenergie“, die der Organismus ausnutzt.* Es sind primär Elektronen, die ein Lebensmittel wertvoll für den Verbraucher und dessen Gesundheit machen.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Was hat das mit Weinqualität zu tun?

Im Rebstock und speziell in den Blättern laufen die chemischen Reaktionen der Photosynthese ab wie sie oben beschrieben worden sind. Endprodukt des Ganzen sind dabei die Trauben, in denen die chemisch gebundene Energie aus der Sonnenstrahlung u.a. in Form von Polyphenolen, Fruchtsäuren und Zuckern gespeichert wird.

Dem Rebstock stehen in einer Vegetationsperiode eine limitierte Menge von Nährstoffen, Licht und Wasser zur Verfügung. Je optimaler diese Wachstumsvoraussetzungen zur Verfügung sind, umso mehr Inhaltsstoffe bilden sich in den Trauben. Traditionell wird die Qualität der Trauben durch das Mostgewicht bestimmt, wobei dieses jedoch nur den Zuckergehalt angibt, zu allen anderen wertvollen Inhaltsstoffen in der Traube kann dieser Parameter keine Aussage liefern.

Je niedriger der Ertrag ist, umso höher ist normalerweise das Mostgewicht, da die während der Vegetationsperiode gebildeten Photosyntheseprodukte auf weniger Trauben aufgeteilt werden.

Mengenreduzierung_G1

Mengenreduzierung

Messungen des Redoxwertes liefern im Gegensatz zum Mostgewicht eine Aussage über alle Inhaltsstoffe, die an Elektronentransferprozessen in der Traube beteiligt sind. Wesentlichen Anteil an diesen Prozessen haben die Polyphenole, Flavonoide und die anderen sekundären Pflanzenstoffe, die ebenfalls in den Trauben gebildet worden sind. Je niedriger der Redoxwert ist, umso öfter erfolgt der Austausch von Elektronen und umso mehr Elektronen stehen dem Körper zur Aufrechterhaltung seiner Lebensfunktionen zur Verfügung. Unter anderem nutzt der Körper diese Elektronen auch zur Neutralisation von freien Radikalen, die sich einerseits während des Stoffwechsels bilden, andererseits aber auch durch die Umwelt in den Körper gelangen. Freie Radikale sind äußerst reaktiv und somit in der Lage, nahezu alle Verbindungen oxidativ zu verändern und damit funktionell zu schädigen. Die Entstehung vieler Zivilisationskrankheiten wie Parkinson, Alzheimer, grauer Star, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie gewisse Krebsarten werden mit einem Überschuss an freien Radikalen in Zusammenhang gebracht.

Dass sich eine Reduzierung des Ertrages nicht nur in einem höheren Zuckergehalt in der Traube äußert, sondern diese bessere Qualität auch im fertigen Wein elektrochemisch gemessen werden kann, zeigt die folgende Graphik:

Ertragsreduzierung_G2

Ertragsreduzierung

Weiterhin liefern elektrochemische Messungen zusätzliche Informationen. Über den Redoxwert hinaus werden bei diesen Messungen auch der pH-Wert und die elektrische Leitfähigkeit (= Anzahl der Ionen in einer Lösung) bestimmt.

Die Tabelle in der Graphik 2 zeigt dass bei einem höheren Ertrag auch die Anzahl der Gesamtionen reduziert wird. Anhand dieser Erkenntnisse aus den elektrochemischen Messungen und dem Wissen des Einflusses von Elektronen auf gesundheitliche Prozesse im Körper sollte bei der Beurteilung der Qualität eines Weines nicht nur das Mostgewicht, sondern auch elektrochemische Parameter herangezogen werden.

*Generell laufen in der Biologie und Chemie Prozesse nur dann spontan ab, wenn sich dabei die Energie, die in Arbeit umgewandelt werden kann, verringert.

 

BStaller@t-online.de

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