Jenseits von Glögg & Aquavit: Wird Schweden jetzt wirklich zum Weinland?

Vom Klimawandel, mutigen Pionieren und dem Vormarsch der PIWIs…

Qualitätswein aus Dänemark, preisgekrönter Schaumwein aus England….die „Isovinien“, also die Grenzen der Gebiete in denen Weinbau möglich ist, verschieben sich zusehends. Nordeuropäische Winzer, die vor 20 Jahren noch mild belächelt wurden, bringen heute zum Teil beachtliche Qualitäten hervor, die auch den internationalen Vergleich nicht scheuen müssen – so gesehen beim internationalen bioweinpreis 2015.

Aber Schweden? Ein Land, das für seine langen, harten Winter und extrem kurzen Sommer bekannt ist? Fakt ist, dass auch hier der Klimawandel schon heute deutlich spürbar ist: Laut dem schwedischen Rossby Center for Climate Research liegt der Temperaturanstieg des Landes seit Ende des 19. Jahrhunderts ungefähr zweimal so hoch wie der globale Durchschnitt, was zu stärkeren und längeren Wärmeperioden im Sommer geführt hat, und zu Wintern, die im Schnitt fast zwei Grad wärmer ausfallen.



Heute gibt es bereits rund 40 Betriebe, die in Schweden kommerziellen Weinbau betreiben; 2006 waren es nur vier. Das größte kommerzielle Anbaugebiet Schwedens, Horns Vingård, befindet sich auf Öland. Unterstützt von spanischen Experten baut hier seit Kurzem eine Kooperative kleiner Weinbauern auf Kalkböden rote und weiße Reben an. Der mit 15 Jahren älteste Weinbetrieb, Blaxsta Vingård, liegt in der Nähe von Stockholm.
Zu den am häufigsten angebauten Rebsorten gehören die PIWIs Phoenix, Solaris, Rondo und Regent. Sie werden besonders in kühleren Weinbauregionen wegen ihrer weitgehenden Resistenz gegen Pilzkrankheiten wie den echten oder falschen Mehltau geschätzt. Auch ermöglichen sie ein besonders naturnahes Wirtschaften, da sie den Pflanzenschutz durch Fungizide nahezu überflüssig machen.

Einer der Pioniere unter Schwedens Weinbauern ist Lauri Pappinen vom Weingut Gute Vingård – ein diplomierter Elektroniker Anfang 60, der 2002 auf der schwedischen Insel Gotland seine erste Lese einfuhr und heute pro Jahr rund 6000 Liter Wein abfüllt.

Mit seinem 2011er Dessertwein Gute Ädel Solaris sorgte er beim Internationalen PIWI Weinpreis 2014 für Aufsehen, denn er wurde als einziger der Kategorie mit 96 PAR®-Punkten – Großes Gold – ausgezeichnet.

Was ihn dazu bewegt hat, auf Gotland Wein anzubauen, trotz schwierigem Klima, mangelnder Erfahrung und dem schwedischen Alkoholmonopol hat er uns in einem Telefoninterview verraten:

Herr Pappinen, Sie sind einer der Pioniere der wachsenden schwedischen Winzerszene. Was hat Sie dazu bewegt ihr eigenes Weingut zu gründen? War es ein lange gehegter Traum oder haben Sie es anfangs eher als eine Art Experiment betrachtet?

L. Pappinen: Ich habe die Insel Gotland bereits in den Jahren 1985 und 1986 besucht. Später habe ich ein Grundstück für die Ferien gekauft und eines Sommers hatte ich einen Traum, an den ich mich am nächsten Morgen noch sehr deutlich erinnern konnte: Ich sah mich selbst in einem Weinberg auf dieser wunderschönen Insel, direkt am Wasser, die Sonne schien….da habe ich beschlossen zu testen, was alles möglich ist. Im Jahr 2000 sind die ersten Pflanzen angekommen, im Jahr 2001 haben wir die Arbeit fortgesetzt. Ein Teil dieser Reben steht immer noch auf den rund 3,5 Hektar, die unsere Rebfläche heute umfasst. Ich habe meinen Traum wahr werden lassen.

Der kommerzielle Weinbau ist ja noch sehr jung in Schweden und Sie hatten anfangs sicherlich einige Hindernisse zu überwinden. Hatten Sie Mentoren aus “traditonellen” Weinländern oder haben Sie ihren ganz eigenen Weg gefunden, mit den täglichen Herausforderungen eines Weinbauers umzugehen – insbesondere mit Gotlands speziellen klimatischen Bedingungen?

L. Pappinen: Mein Interesse für Wein wurde in den 90er Jahren geweckt. In dieser Zeit arbeitete ich im Verlagswesen. Ich war oft auf Reisen in den USA und Europa und besuchte rund 200 Weingüter pro Jahr. So traf ich natürlich auch viele Menschen aus der Branche. Einer meiner Mentoren stammt aus Großbritannien. Als ich dann später anfing, professionelles Equipment für mein Weingut zu kaufen, hatte ich ein sehr gutes Verhältnis zu Clemens Technologies in Deutschland. Sie haben mich sehr darin unterstützt wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Aber obwohl ich Ingenieur bin, ist mein Ansatz nur zum Teil technischer Natur. Ein anderer wichtiger Teil meiner Arbeit ist die Kunst. Ich mag es, „out of the box“ zu denken. Der kreative Prozess….das ist es, was ich an der Arbeit liebe.

Ihre Hauptrebsorten sind Solaris, Rondo und Phoenix; Ihr 2011er Gute Ädel Solaris hat sogar Großes Gold beim Internationalen PIWI Weinpreis 2014 gewonnen. Wie wichtig sind Ihnen die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten?

L. Pappinen: Die PIWIs machen sich bei uns einfach sehr gut. Für Schweden sind sie definitiv die besten Rebsorten und außerdem mag ich, dass ich mit ihnen ökologisch arbeiten kann.

Last but not least: Das Alkoholmonopol in Schweden ist ein vieldiskutiertes Thema. In welchem Maße verlangsamt es Ihrer Meinung nach die Entwicklung einer starken Weinbauszene? Hat es einen sehr großen Einfluss oder gehen Sie davon aus, dass die Branche trotz des Monopols weiter wachsen wird?

L. Pappinen: In dieses Thema war ich von Anfang an stark involviert. Das Alkoholmonopol ist sehr einflussreich und macht den Weingütern das Leben schwer. Es ist das letzte Monopol in Schweden und ich denke, dass die Situation sich über kurz oder lang ändern wird (wie beim Apothekenmonopol im Jahr 2007). Es ist nur eine Frage der Zeit. Von der Weinindustrie einmal abgesehen entwickeln sich gerade viele kleine Brauereien und auch diese Szene wächst schnell. Sicherlich erhöht das den Druck auf die Monopolsituation in Schweden.

Vielen Dank für Ihre Zeit. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und freuen uns auf die nächsten Jahrgänge. Sicherlich halten Schwedens Winzer und ihre PIWIs noch die eine oder andere Überraschung für uns bereit!

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