Trocken, spritzig und very British…

Spitzenschaumwein jenseits des Ärmelkanals

Frankreich beobachtet sie mit Argusaugen, Königshaus und Downing Street stehen auf der Kundenliste und bei internationalen Verkostungen finden sie immer mehr Anerkennung: Die wenigen, aber teils durch bemerkenswerte Qualität glänzenden Winzer und vor allem Schaumweinproduzenten aus England.

Nun ist die Insel jenseits des Ärmelkanals nicht gerade bekannt, für ihre Wein- und Esskultur und auch das berüchtigte englische Wetter scheint nicht sonderlich geeignet fürden Anbau des sonnenhungrigen Rebstocks – schon gar nicht für den ökologischen. Aber Klimawandel, moderne Anbaumethoden und sicherlich auch die guten Erfahrungen mit pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtungen haben dem Süden der Insel in den letzten Jahrzehnten eine wachsende Zahl kleiner Weinbaubetriebe beschert, die heute das fortführen, was angeblich bereits die Römer, spätestens aber die mittelalterlichen Klöster in England und Wales begonnen hatten.

Stillstand und Neubeginn – durch einen Chemiker und einen Schriftsteller…

Lage Millenium - ©Sedlescombe Organic Vineyard

Lage Millenium in der Grafschaft Sussex – ©Sedlescombe Organic Vineyard

Bevor es zu dieser Blüte kam, gab es im 20. Jahrhundert jedoch eine Lücke von mehr als25 Jahren in der kommerziellen Weinbereitung Englands. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg inspirierten zwei Pioniere, Ray Barrington Brock und Edward Hymans, die Wiederbelebung der Tradition – allerdings aus ganz eigenen Motiven. Der eine war Chemiker und hatte sich den privaten Forschungsauftrag erteilt, herauszufinden, welche Rebsorten auf der Insel am besten gediehen. Der andere schrieb Bücher über Gartenbau und pflanzte einen Weingarten zu Recherchezwecken für sein Buch über Geschichte und Praxis des Weinbaus in England. Ihnen folgte schließlich Major General Sir Guy Salisbury-Jones, der 4000 Reben in der Grafschaft Hampshire pflanzte und 1955 den ersten britischen Wein seit Ende des Ersten Weltkriegs verkaufte.

Roy Cook und der erste Bio-Weinberg Englands

Roy Cook - Gründer und Self-taught Winemaker von Bevor es zu dieser Blüte kam, gab es im 20. Jahrhundert jedoch eine Lücke von mehr alsSedlescombe Organic Vineyard

Roy Cook – Gründer und Winemaker von © Sedlescombe Organic Vineyard

Seither geht es wieder bergauf und speziell in den 60er und 70er Jahren nahm die Zahl der Weinberge deutlich zu. Gegen Ende der Siebziger war es auch, als ein weiterer Pionier des englischen Weinbaus beschloss, seine ersten Rebstöcke zu pflanzen: Roy Cook – Absolvent des University College Cardiff in Psychologie und Philosophie, Idealist und Englands Biowinzer der ersten Stunde. Der Weinberg, den er 1979 in Sedlescombe, in der Grafschaft Sussex, anlegte ist der älteste ‚organic vineyard‘ der Insel. Was damals als Experiment eines Öko-Selbstversorgers begann, ist heute eines der erfolgreichsten Weingüter und Sektkellereien des Landes – mit einem Kellermeister, der sich sein Wissen um den biologischen und biodynamischen Weinbau in nun fast 50 Jahren selbst angeeignet hat und heute auch als Berater tätig ist. Sedlescombe nimmt seit Jahren beim internationalen bioweinpreis teil und erntet mit seinen herausragenden Schaumweinen, aber 2016 zum Beispiel auch mit einem Großes-Gold-prämierten PIWI-Rosé, regelmäßig Spitzenwertungen.

Wie er vom Philosophen zum experimentierfreudigen Biogärtner und schließlich zum Winzer wurde, welche Rolle PIWIs in seinen Weinbergen spielen und was der Klimawandel in England so mit sich bringt, verrät Roy uns im Interview:

Mr. Cook, als Philosoph, Psychologe und Englischlehrer in Deutschland…wie sind Sie auf die Idee gekommen aus Sedlescombe einen Biohof zu machen, einen Weinberg zu pflanzen und schließlich Winzer zu werden? Und was hat es mit diesem Erbsenschoten-Wein auf sich, von dem wir gelesen haben?   

Roy öffnet Sedlescombe 1984 für die ersten Besucher - © Sedlescombe Organic Vineyard

Roy öffnet Sedlescombe 1984 für die ersten Besucher – © Sedlescombe Organic Vineyard

Roy Cook: Ich habe das Land 1968 von meinem Großvater geerbt, war aber bis 1975 nie dort. Mit meiner damaligen Freundin habe ich mich schließlich aufgemacht, Selbstversorger zu werden und das zu leben, was damals als „The Good Life“ bekannt wurde (benannt nach einer damals populären TV-Sendung). Wir haben schnell realisiert,dass allein die Selbstversorgung mit Gemüse eine echte Herausforderung darstellt, von all den anderen Dingen, die man für ein zivilisiertes Leben braucht, einmal ganz zu schweigen (Streichhölzer, Töpfe, Bücher, etc). Trotzdem wurde ich zu einem sehr kompetenten Gärtner – und auch zu einem Amateur-Weinmacher. Ich experimentierte mit vielen verschiedenen Früchten und Gemüsen, unter anderem mit meinem berühmten Erbsenschoten-Wein. Die Weinbereitung war also ein Hobby, bevor sie zum Beruf wurde. Ich bin ein „Self-taught“-Winzer und habe das meiste aus deutschen Büchern gelernt, wie z.B. der ‘Kellerwirtschaft’ von ‘ Das Deutsche Weinmagazin’ aus dem Dr. Fraund Verlag.

Sind Sie als Biowinzer immer noch eine Art ‘Alien’ unter Englands Weinproduzenten oder nimmt die Zahl an biozertifizierten Weingütern zu?

Roy Cook: 1979 war ich zwar der erste, der versucht hat, in England Wein nach ökologischen Prinzipien anzubauen, aber heute gibt es ca. 25 Weingüter, die entweder biologisch oder biodynamisch wirtschaften. Sedlescombe war auch der erste Produzent, der einen zertifiziert biodynamischen englischen Wein herausgebracht hat; das war 2010.

Wir haben gelesen, dass die am häufigsten angebauten Rebsorten in England und Wales Chardonnay, Spätburgunder und Schwarzriesling sind und das – wie wir von internationalen Verkostungen wissen – englischer Schaumwein auf dem Vormarsch ist. Was macht die Bedingungen in Ihren Weinbergen so geeignet für die Schaumweinproduktion? Und halten Sie persönlich die traditionellen Champagner-Rebsorten für ideal? 

Lage Millenium und Weingut ©Sedlescombe Organic Vineyard

Lage Millenium und Weingut ©Sedlescombe Organic Vineyard

Roy Cook: Die Erträge sind in England und Wales oft niedriger als auf dem Kontinent und um finanziell existenzfähig zu sein, haben sich Weinbauern und Winzer bemüht, mit einer gewissen stilistischen Vielfalt einen Mehrwert zu schaffen. Und hier kommt der Schaumwein ins Spiel – besonders seitdem bemerkt wurde, dass die Trauben, die hier wachsen, eine Säurebalance mit sich bringen, die gut zu Schaumweinen passt. Die klassischen Champagner-Sorten brauchen aber immer noch sehr gute Lagen, um qualitativ hochwertige Basisweine zu liefern. Obwohl wir [in Sedlescombe] über ein-zwei herausragende Lagen verfügen, haben wir beschlossen, rote Sorten wie den Regent dort anzupflanzen, weil wir einen Weinbau mit einem Minimum an Pflanzenschutz-Spritzungen anstreben, übereinstimmend mit den Bio-Richtlinien der EU. Von der kleinen Pflanzung Spätburgunder in einer unserer Bestlagen wissen wir, dass diese Sorte unter alleinigem Einsatz von Kupfer und Sulfur gut gedeiht. Chardonnay und Schwarzriesling hingegen neigen dazu, etwas mehr davon zu benötigen, weshalb wir für unseren Premier Brut biodynamic Sparkling white andere Sorten, wie Johanniter und Seyval Blanc, zusammen mit Pinot Noir einsetzen, was auch ohne die klassischen Rebsorten einen qualitativ sehr hochwertigen „Bubbly“ ergibt – und das mit wesentlich weniger Kupfereinsatz.

Man hört oft, dass die Folgen der globalen Klimaerwärmung eine gewisse Rolle im Aufblühen des englischen Weinbaus spielen. Haben Sie in Ihrer Region signifikante Klimaerwärmungen registriert, oder vielleicht sogar dokumentiert? Oder sind die Jahreszeiten eher unvorhersehbarer und damit komplizierter geworden, speziell für den Bioweinbau?

Roy Cook: In den 38 Jahren, in denen ich hier in Sedlescombe Wein angebaut habe, haben wir gemerkt, dass die Ernten früher stattfinden. Zum Beispiel haben wir den Reichensteiner IMMER am letzten Oktoberwochenende geerntet (und sind dann nach dem Tag in der Lese zum Guy Fawkes Feuer und den Feuerwerkfestlichkeiten im Nachbarort Staplecross gegangen). Heute ernten wir diese Sorte bereits Mitte Oktober oder, in einem sehr frühen Jahr wie dem letzten, schon Anfang Oktober. 2012 hatten wir zudem den nassesten Sommer seit 200 Jahren, was die Erträge auf ein Viertel reduziert hat. Und 2017 hatten wir, wie viele Regionen auf dem Kontinent, heftige Spätfröste im Frühjahr – die ersten seit 1997 – was beträchtliche Verluste in zwei unserer vier Weinberge nach sich zog. Einige Rebsorten in diesen Frostlagen entwickelten sich besser als andere. Die Solaris-Reben schienen sich besser vom Frost zu erholen als die anderen Sorten und brachten trotz allem einen fast normalen Ertrag.

Last, but not least – wie sieht Ihre Prognose für den 2017er Jahrgang aus? Waren die klimatischen Bedingungen bei Ihnen auch so anspruchsvoll, wie bei uns in Deutschland?

Roy Cook: 2017 scheint, NACH dem Frost, ein fast perfektes Jahr gewesen zu sein und die Lagen und Reben, die nicht betroffen waren haben sich sehr gut entwickelt, sowohl in Bezug auf den Ertrag als auch auf die Qualität.

Wer unsere English Wines verkosten möchte, sollte einen Blick auf unsere deutsche Website werfen: www.englischerbiowein.de

Vielen Dank für Ihre Zeit, Mr. Cook, und alles Gute für das kommende Jahr!

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