Martin Darting über das Zusammenspiel von Klima und Boden im Weinberg

Teil II von Martin Dartings Artikel zum Thema Boden & Weinbau

Der entscheidende Dreiklang: Boden – Klima – Mensch

In Teil I seines Artikels zum Thema Boden und Weinbau hat Martin Darting – Winzer, Önologe und Sensorik-Experte – einen Einblick in die Entstehung der Böden und deren Bedeutung für Rebe und Wein gegeben. Wir haben festgestellt, dass vor allem der humose Anteil des Weinbergsbodens ausschlaggebend für das Wachstum der Rebe und die Einlagerung von Mineralstoffen in der Beere ist: Je aktiver der Boden und je begrünter; je mehr Bodenlebewesen und mikrobiologische Faktoren aktiv sind, desto besser ist die Versorgung der Pflanze und somit die Ausstattung mit nicht aromatisch geprägten Eigenschaften. Mineralstoffe und Säure bestimmt wird. In Teil II des Artikels beleuchtet Martin Darting nun die Rolle des Klimas, das im Zusammenspiel mit dem Boden ganz wesentlich auf die Aroma-Entwicklung in der Beere einwirkt. Hier sind es vor allem die Gerbstoff und sekundären Pflanzenstoffe, die aromatisch und mundfüllend wirken.

subtropische Weinberge

subtropische Weinberge

Die Herkunft eines Weins lässt sich grob einteilen in warme Klimazonen, wie die Bereiche rund ums Mittelmeer oder auf der Südhalbkugel, und kalte Klimazonen, wie die nördlichen Bereiche, z.B. Deutschland oder Österreich. Jedoch sind die kleinklimatischen Bedingungen vor Ort, wie Höhenlage, Meeresnähe, Süd-Südwestlagen durch Berge und Hänge sowie die Sonneneinstrahlung, ausschlaggebender für Aroma und Typi­zität eines Weins, als die großklimatische Lage. Weiter sind Wind­verhältnisse und Regenverteilung sowie die Tag-Nacht-Temperaturamplitude für die spezifische Reife der Trauben einer Herkunft und Lage mitverantwortlich.

Klima-Unterschiede

Kurz: Die Lage mit ihrer Ausrichtung zur Sonne, die Temperatur und die Wasserversorgung der Pflanze lassen die Früchte unterschiedlich reifen. So machen nicht nur der Zuckereintrag in die Beere und die phenolische Reife, die die physiologische Reife durch Braunfärbung der Kerne signalisiert, die Charakteristik des späteren Weines aus,  sondern besonders die Aromen in der Beerenhaut. An deren Art und Ausprägung sind die Temperaturen ganz maßgeblich beteiligt.

Beispiel:
Optimaler Klimaverlauf während der Reifephase eines Spätburgunders in Baden
Die optimale Reife des Spätburgunders  beginnt bereits mit der Traubenblüte. Beste Bedingungen: leichter Wind, leicht bedeckt bei ca. 20°C.
Bei optimaler Wasserversorgung und langsam aber stetig steigenden Tagestemperaturen darf es nachts auf 15° abkühlen.
Die Trauben nehmen an Gewicht zu und die Schale wird bereits Mitte Juni etwas dünner.  Eine sachte UV- Bestrahlung mit warmen Tagestemperaturen um 28° gewährleisten nun einen kontinuierlichen Zuckereintrag sowie Aromaausbildung und Säureabbau.
Mit der Färbung werden bei Temperaturen teils über 32° die Gerbstoffe und Farbstoffe reif, indem sie miteinander reagieren.
Jetzt muss das Wetter „nur noch“ möglichst lange stabil bleiben und der Winzer kann anhand der phenolischen und aromatischen Reife über den Erntebeginn entscheiden.

Während das Klima selbst zu den unveränderbaren Faktoren im Weinbau zählt, lässt sich dessen Wirkung auf die Pflanze und damit auf die Beerenreife vom Winzer dahingehend „gestalten“, dass er derjenige ist, der durch Anpflanzungsdichte, Ausrichtung und  Blattmanagement entscheidend dazu beiträgt, welche Aromen sich in der Beere wie ausprägen. Das eröffnet Chancen, aber zugleich natürlich auch große Risiken, denn reagiert man zum Beispiel mit Entlaubung auf mangelnde Sonneneinstrahlung in den Sommermonaten, kann es leicht passieren, dass drei Tage später eine Hitzeperiode einsetzt und den empfindlichen Trauben jeglicher Sonnenschutz fehlt.
Zudem kann das Mikroklima einer Lage X sich erheblich von dem der benachbarten Lage Y unterscheiden, was die Arbeit des Winzers, der beide Lagen zu bewirtschaften hat, nicht gerade leichter macht. Er muss differenziert vorgehen und tagesaktuell entscheiden. Sprich, bei allem Know-How und selbst nach Jahrzehnten der Erfahrung und sorgfältigen Studie ist und bleibt das Klima eine unberechenbare Größe in der Gleichung Weinbau und der Klimawandel tut sein Übriges, diese Unberechenbarkeit noch zu verschärfen. Besonders die Winzer der wärmeren Klimazonen bekommen das schon heute aufs Unangenehmste zu spüren.

Das alles macht die Arbeit mit der Rebe gelinde gesagt spannend; gleichzeitig schafft das Verständnis der untrennbaren Zusammenhänge zwischen Boden, Klima und dem Faktor Mensch aber kreative Freiräume und Herausforderungen, die auch nach Jahrtausenden des Weinbaus noch Raum für Entdeckungen lässt. Und nicht zuletzt zeigen uns die sensiblen Reaktionen der Vitis Vinifera auf das Klima, dass wir in Sachen Klimaschutz schleunigst aktiv werden müssen, wenn wir den Weinbau wie wir ihn kennen für kommende Generationen bewahren wollen.
Grafiken-Marting

Am 18. April 2016 bieten wir in Bad Dürkheim ein weiteres Seminar zum Thema Klima an

Terroir – Boden – Klima – Mensch  

Neueste Erkenntnisse aus Forschung und Praxis bestätigen, dass das Klima, insbesondere die Faktoren

  • Humidität (Feuchtigkeit)
  • Temperatur
  • Sonnen(ein) Strahlung

für die Aroma-Entstehung in der Beere am prägendsten sind.

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