Winzer aus Hellas setzen auf den Export

Hochwertige Qualitäten aus griechischen Rebsorten finden international immer mehr Anhänger – Wirtschaftskrise sorgt im Land für Probleme


Eigentlich sind sich alle Experten einig: Nie zuvor war griechischer Wein so gut wie heute. Nach vielen Jahren, in denen Billig-Retsina und Rotwein-Verschnitte in großen Flaschen die Gastronomie in Hellas wie auch ihrer Ableger im Ausland bestimmten, hat in den beiden letzten Dekaden eine echte Qualitätsrevolution stattgefunden. Namen wie Chateau Carras, Lazaridi, Hatzmichalis, Gerovassiliou oder Sigalas standen als Pioniere für die Wende hin zum international voll konkurrenzfähigen Spitzenwein, inzwischen haben viele andere nachgezogen. Und auch die Großen der Branche, wie Tsantali, Boutari, Kourtaki oder Achaia Clauss, produzieren heute neben Masse allesamt auch Klasse. Dennoch sind die „neuen Weine“ aus Makedonien, Attika, Nemea, Kreta und jene von den Inseln im Bewusstsein der Verbraucher in Deutschland noch immer nicht so richtig angekommen. „Es gibt heute mindestens zwei Handvoll Erzeuger in Griechenland, die richtige Icon-Wines machen“, sagt der Hamburger Master Sommelier Hendrik Thoma, „aber kaum jemand kennt sie. Griechenland ist eben nicht Bordeaux oder das Napa Valley.“

Dabei sind die Voraussetzungen für hochwertige Tropfen in Hellas sehr gut. Auf den rund 70.000 Hektar Rebflächen, die für die Weinproduktion genutzt werden (weitere 50.000 Hektar für Tafeltrauben und Rosinen kommen hinzu), steht eine Vielzahl autochthoner Sorten, insgesamt etwa 300, mit ausgeprägtem Charakter und ganz eigener Stilistik. Sie ergeben je nach Jahr zwischen 3,5 und vier Millionen Hektoliter. Die Terroirs und Kleinklimata sind so vielfältig wie das ganze Land, an Sonnenstunden fehlt es ebenso wenig wie an einer jahrtausendealten Tradition. Belege für eine weite Verbreitung der Rebe finden sich schon in der frühen Bronzezeit. Ausgrabungen auf der Insel Kreta bezeugen die vorgriechische Geschichte des Weinbaus dort, und in Vathypetro, einer Ausgrabungsstätte in der Nähe von Archanes, ist eine der ältesten Weinpressen der Welt zu sehen. Die ausgegrabene Steinkelter und zahlreiche Tongefäße aus der minoischen Kultur belegen, dass auf Kreta die Wiege des gewerblichen griechischen Weinbaus stand. Der bis heute bei den Griechen sehr beliebte Retsina dürfte seinen Ursprung in der damals praktizierten Konservierungsmethode haben, bei der die Wände der Amphoren mit Harz abgedichtet wurden. Übrigens: es gibt heute auch sehr guten Retsina. Als Meister dieses Faches gilt Stelios Kechris aus Thessaloniki.

„Das Heil liegt im Export“

Durch fast 500 Jahre türkische Besetzung erlebte der Weinbau in Griechenland einen Stillstand. Erst nach dem Ende der Militärdiktatur 1974 entwickelte sich langsam eine moderne Weinindustrie. Liefen bis vor wenigen Jahren noch 80 Prozent des Rebensaftes die Kehlen der Einheimischen und der Touristen hinunter, so hat die wirtschaftliche Krise des Landes viele Erzeuger radikal zum Umdenken gezwungen. Wer kann, orientiert sich um und sucht neue Märkte – der deutsche Weinautor und Griechenland-Experte Rudolf Knoll bringt die Situation ebenso knapp wie pointiert auf den Nenner: „Das Heil liegt im Export.“ Star-Winzer Evangelos Gerovassiliou aus Epanomi in der Nähe der makedonischen Metropole Thessaloniki berichtet, dass er durch die Krise die Hälfte seiner griechischen Kunden verloren hat – „dafür haben wir den Export nach Übersee gesteigert und 2011 in Großbritannien um 100 Prozent zugelegt.“ Gerovassilious Vorzeigebetrieb beherbergt unter anderem auch ein sehenswertes Weinmuseum mit mehr als 2.600 historischen Korkenziehern und vielen anderen Gerätschaften.

Während in den Tavernen am Ägäischen oder Ionischen Meer, in Thessalien, Thrakien, Epiros oder auf der Peloponnes inzwischen meist günstige Tropfen zu Mezedes, Tsatsiki, Souvlaki, gegrilltem Fisch oder Lamm aus dem Backofen gereicht werden, exportieren mehr und mehr griechische Erzeuger ihre höherwertigen Weine ins Ausland. Da derzeit mangels Masse nicht mit staatlicher Unterstützung für große Promotionsaktionen zu rechnen ist, sind sie dabei auf Eigeninitiative angewiesen. Die in Agios Pavlos auf der Halbinsel Chalkidiki ansässige Weinkellerei Tsantali zum Beispiel veranstaltet im wichtigsten Exportmarkt Deutschland seit Jahren eine Vielzahl von Präsentationen in der Gastronomie mit griechischer Küche, auf Messen und im Einzelhandel – auch mit Abverkaufsaktionen und Gewinnspielen, bei denen als Preise Flugreisen mit Urlaub in Luxushotels auf Chalkidiki und natürlich mit Besichtigung des Weingutes inklusive Verkostung winken. Trotz der anhaltenden Wirtschaftskrise, so Vizepräsident Dr. Georgios Tsantali, „werden wir unsere Marketing-Aktivitäten 2013 gegenüber dem Vorjahr ausbauen, um weiter an Bekanntheit zu gewinnen“.

Dabei setzt die Nr. 1 unter den griechischen Weinerzeugern durchaus auch auf Synergien mit anderen, wenn‘s inhaltlich passt: Im Vorfeld des „Mount Athos Gourmet Festival“, das vom 15. Mai – 15. Juni 2013 zum dritten Male Feinschmecker und Weinfreaks aus ganz Europa ins Umland der Mönchsrepublik Athos lockt, fanden jüngst in Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, München und Berlin kulinarische Präsentationen mit Klosterwein „Metochi Chromitsa“ und den Kreszenzen von Patre Epifanios vom gerade mal fünf Hektar großen Weingut Mylopotamos statt. Der Mönch Epifanios bekochte dabei Journalisten und andere geladene Gäste in Top-Restaurants mit griechischer Küche nach alten Rezepten der Klosterküche. Beste Werbung für das Land.

„Wir bräuchten viel mehr Öffentlichkeitsarbeit für den griechischen Wein“

Überhaupt scheinen im Norden von Hellas die Rebensaftproduzenten stärker an einem Strang zu ziehen als anderswo. Die 39 Mitgliedsbetriebe der Vereinigung „Wines of North Greece“ bündeln seit Jahren ihre Kräfte und arbeiten zusammen, um ihre Weine mit den geschützten Herkunftsbezeichnungen g.g.A. und g.U. aus einer weitläufigen Region, die sich vom Ionischen Meer im Westen bis zum Fluss Evros im Osten und hinunter zum Olymp im Süden erstreckt, im In- und Ausland zu promoten. 17 Mitglieder von „Wines of North Greece“ nutzen denn auch vom 24. – 27. März die ProWein 2013, um Händler, Importeure, Gastronomen, Sommeliers und Journalisten von der Qualität der neuen griechischen Weine zu überzeugen. Die Betriebe sind in Halle 6 teilweise mit eigenen Ständen vertreten, teilweise am Gemeinschaftsstand des „Hellenic Foreign Trade Board“ (HEPO). Und auch „Wines of North Greece“ selbst sucht in Düsseldorf mit einem Infocounter zu den Weinstraßen Nordgriechenlands die Nähe zu künftigen Kunden. Präsident Stelios Kechris erwartet, dass der Export in den nächsten fünf Jahren zumindest „einen Großteil unserer Verluste im Binnenmarkt ausgleichen kann“. Mit Hilfe der EU habe sein Verband bereits ein Programm für die Promotion der nordgriechischen Weine in der Ukraine realisiert – seit sechs Monaten läuft ein weiteres Drittländer-Aktionsprogramm für die USA, China und die Schweiz, das auf drei Jahre angelegt ist.

Wie sehr das Thema Export den Griechen auf den Nägeln brennt, sieht man daran, dass die Zahl der ProWein-Aussteller aus Hellas 2013 auf die Rekordzahl von 65 ansteigt, nach 55 im vergangenen Jahr und 42 im Jahr 2011. Nach einer sehr positiven Entwicklung zwischen 2009 und 2011, als der Wert der griechischen Weinimporte nach Deutschland von 23,1 auf 29,5 Millionen Euro kletterte, ging’s 2012 um mehr als 20 Prozent nach unten, zurück auf das Niveau von 2009. Allerdings mussten auch die Italiener ein Minus von 15 Prozent hinnehmen. Insgesamt führte Deutschland 6,9 Prozent weniger Wein ein.

Inwieweit sich jüngste deutsch-griechische Befindlichkeiten in diesem Rückgang widerspiegeln, mit vom Boulevard angeheizten Schmähungen beiderseits, ist schwer zu sagen. Der Berliner Weinhändler Christos Tziolis glaubt nicht an diese Theorie: „Viele meiner Kunden waren schon in Griechenland und wissen, dass die Kommentare der Boulevardpresse an der Realität vorbei gehen.“ Weitaus näher liegt die Vermutung, dass viele Weingüter derzeit einfach nicht die Mittel haben, mehr ins Exportmarketing zu investieren. Und vom Staat ist wenig Hilfe zu erwarten. Nikos Topalidis vom Mykonos Weinhof in Solingen sieht es ebenso: „Wir bräuchten viel mehr Öffentlichkeitsarbeit für den griechischen Wein!“

Qualitätsrevolution in griechischen Weingärten

Dabei scheint sich in jüngster Zeit, wie Exportleiter Thomas Kunstmann von den Greek Wine Cellars D. Kourtakis konstatiert, in Deutschland eine noch kleine, aber feine griechische Elitegastronomie heraus zu bilden – Basis für mehr Absatz und Renommee in der Zukunft. Schließlich rangiert die griechische Gastronomie laut einer aktuellen Marktforschungsstudie in punkto Beliebtheit hier zu Lande auf Platz zwei nach der italienischen. Dennoch dürfte es noch eine Weile dauern, bis weißer Assyrtiko von der Vulkaninsel Santorini, aromatischer Moschofilero aus dem Norden der Peleponnes, Malagousia, Agiorgitiko aus Nema oder der besonders charakterstarke Xinomavro aus Naoussa, Amynteon, Rapsani und anderen Teilen Makedoniens in einem Atemzug mit der Bourgogne, Bordeaux, Brunello oder Barolo genannt werden.
Aber immerhin: Die Qualitätsrevolution in den griechischen Weingärten wird weitergehen. Seit Jahren holen Betriebe wie Palivos, Katogi & Strofilia, Gaia Wines, Hatzidakis, Ktima Alpha, Kir Yianni, Skouras, Biblia Chora, Pavlidis, Katsaros, Tselepos oder die Domaine Claudia Papayanni reihenweise Medaillen bei großen internationalen Wettbewerben, sorgen so für Renommee-Zuwachs und schreiben eine echte Erfolgsgeschichte. Claudia Papayanni, deren Mutter aus Deutschland stammt, zum Beispiel ist mit ihren Weinen aus Arnea auf der Chalkidiki erst seit 2007 am Markt, hat sich in den vergangenen fünf Jahren aber schon gehörig Respekt verschafft bei den Kollegen.
Langfristig sehen viele Fachleute, Journalisten, Händler, Sommeliers die griechischen Weine dank eigenem Profil und Unverwechselbarkeit auf der Überholspur. „Ehrgeizige Winzer keltern gegen die Krise an“, betitelte der „Spiegel“ im Juni 2012 seinen Situationsbericht aus dem Land. Maria Triatafylou von der „National Organisation for Vine and Wine“ ist derweil überzeugt, dass die Hersteller aus Hellas neben ihren Exporten nach Deutschland, Frankreich und Kanada „auch ihre Ausfuhren nach China und in andere neue Märkte erhöhen können“.

Beim Weinriesen Tsantali rangiert Deutschland an erster Stelle, Kanada an zweiter und inzwischen bereits Russland auf Platz drei, gefolgt von Belgien und Holland. Trotz der Wirtschaftskrise und den enormen Problemen in Griechenland hat die Kellerei 2012 ihren Umsatz stabil gehalten. „Wenn wir Griechen mehr Mittel hätten, könnten wir die hohe Qualität unserer Weine den Verbrauchern im Ausland viel schneller bekannt machen“, wünscht sich Dr. Georgios Tsantali.

Die Besucher der ProWein 2013 haben vom 24. – 26. März bei Hellas in Halle 6 auf alle Fälle viel Gelegenheit, neue, spannende Weine zu entdecken.

– Thomas Brandl –

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