Wo man Kunst verkosten kann…

Über das Weinland Slowenien, die Görzer Hügel und zwei Künstler, die ihre Kreativität, in Fässer füllen  

Es gilt als das „grüne Herz Europas“ und zählt zu den florierendsten Weinbauregionen Osteuropas: Slowenien. Ein Land mit bewegter Geschichte, das im Laufe der Jahrhunderte u.a. zum Heiligen Römischen Reich gehörte, Teil des Königreichs Österreich-Ungarn, des Königreichs Jugoslawien und bis 1991 auch Teil von Titos Jugoslawien war. Seit 2004 ist das vielseitige Slowenien, in dem die Alpen und das Mittelmeer, die Pannonische Ebene und die Karstwelt eindrucksvoll aufeinandertreffen, Teil der EU, in der es aufgrund seiner wirtschaftlichen Entwicklung als „Musterschüler“ unter den neuen Mitgliedsstaaten zählt.

Die nicht minder bewegte weinbauliche Geschichte des Landes, die seit der Unabhängigkeit einen beispielhaften Aufschwung erlebt hat, lässt sich über 2400 Jahre bis zu den Kelten zurückverfolgen, die damals vermutlich die ersten Weinstöcke pflanzten. Nach einer großen Blütezeit durch die Römer kam der Weinbau mit der Ansiedlung der Slawen im 6. Jahrhundert fast zum Erliegen. Wieder aufwärts ging es erst im Mittelalter durch die christlichen Klöster, deren Weine bei Hofe in Wien sehr geschätzt wurden. Im späten 19. Jahrhundert richtete dann die große Reblausplage auch hier verheerende Schäden an.

Blick von der Terrasse des Atelier Kramarauf das Weinbaugebiet Brda

Blick von der Terrasse des Atelier Kramar auf das Weinbaugebiet Brda *

Heute stehen rund 26.000 Hektar des kleinen Landes, das überwiegend von Gebirgen eingenommen und zur Hälfte von Wäldern bedeckt ist, als Rebflächen im Ertrag. Sie verteilen sich auf die drei Weinbauregionen Podravje (Drauregion), Posavje (Save-Gebiet) und Primorje (Adria-Küstenregion). Während das größte Weinbaugebiet auf die Drauregion, mit der wunderschönen Weinstadt Maribor entfällt – die unter anderem den, mit rund 400 Jahren, „ältesten Rebstock der Welt“ beheimatet – gilt  Goriska Brda (Görzer Hügel) in der an Italien grenzenden Küstenregion Primorje mit seinen 2000 Hektar Rebfläche als das am meisten entwickelte Gebiet. Diesen Ruf verdankt die Region unter anderem dem Starwinzer Ales Kristancic vom Weingut Movia, dessen Großvater Anton sich nach 1945 als einziger weigerte, seine Trauben an die örtliche Genossenschaft in Dobrovo abzugeben. Er verkaufte weiterhin seinen eigenen Wein, an Privatleute, Gastronomen und, aufgrund seiner Qualität, später sogar an den jugoslawischen Staat. Der 1996 geborene Enkel Ales schließlich erlernte sein Handwerkszeug an einer Weinbauschule im italienischen Veneto sowie in renommierten Betrieben in Bordeaux und Burgund, bevor er nach Hause zurückkehrte, bei seinem Vater Mirko ins Weingut einstieg und von Movia aus zu einer Art Innovationstreiber für Brda und wahrscheinlich das ganze Weinland wurde.

Auf dem richtigen Weg...

Auf dem richtigen Weg…*

Hier, in der Grenzregion zwischen dem slowenischen Brda und dem italienischen Collio, haben sich die beiden Künstler und Winzer Katja Distelbarth und Matjaž Kramar mit ihrem Atelier Kramar niedergelassen, die im vergangenen Jahr zu den ersten erfolgreichen Teilnehmern des PAR Wine Award International zählten. Kennengelernt haben sich die Deutsche aus dem baden-württembergischen Löwenstein und der Slowene aus Kobarid am Fuß der Julischen Alpen an der Kunsthochschule in Venedig. In ihren Weingärten arbeiten sie nach ökologischen Prinzipien; sie sind Fans der heimischen Sorte Rebula und verarbeiten ihre weißen Trauben zu Orange Weinen, wie dem mit Silber ausgezeichneten 2013er Bohem. Wie es dazu kam, das die beiden ihre Kunst auf Weinberg und Keller ausweiteten, wie sie die Biobewegung im Land einschätzen und welch erstaunliche Vielfalt der robusten Rebula entspringt, erzählt Katja Distelbarth im Interview:   

Frau Distelbarth, Sie und Ihr Partner, Matjaž Kramar, sind beide ausgebildete Künstler. Wie kam es, dass Sie Ihr Leben einer ganz anderen Kunst, dem Weinbau, gewidmet haben?

K. Distelbarth: Das war mehr oder weniger Zufall und keinesfalls so geplant. Nach dem Studium haben wir uns in das Grundstück mit dem alten Haus in Barbana verliebt und dachten uns, dass das ein wunderbarer Ort und Ausgangspunkt für unsere Kunst sein kann. Zu dem Grundstück gehörten aber auch ein paar kleine Weinberge und Matjazs Vater hatte initiiert, noch einen weiteren auf einer brachen Fläche zu pflanzen. Das alte Haus war nicht renovierungsfähig, sodass wir im Neubau den Keller mitgeplant haben, am Anfang nur sehr klein. Im Laufe der Zeit war klar, dass „ein bisschen Wein nebenher machen” so nicht funktioniert und wir haben unseren Schwerpunkt verlagert, mit allen nötigen Papieren, Zusatzausbildungen und Produktionsflächenanbauten.

Waren die Rebflächen bereits bepflanzt, als Sie Ihre 4,8 Hektar in Barbana übernommen haben oder mussten Sie ganz von vorn anfangen? Welche Sorten bauen Sie heute an?

K. Distelbarth: Zu dem alten Haus gehörten in etwa 800 Reben, den Rest haben wir neugepflanzt, dazugekauft oder gepachtet, heute haben wir ca. 15 000 Reben. Wir bauen die Sorten Rebula, Sauvignon vert (auch als Friulano, Sauvignonasse oder unter ehemaligem Namen Tokaj bekannt), Merlot und ein bisschen Malvasia, die wir dem Sauvignon vert beimischen, an.

Die Rebula ist ja eine uralte autochthone Sorte Ihrer Region. Können Sie uns etwas mehr über Ihre Eigenschaften erzählen?

Im "Primario" steckt der Geschmack der Region: 100 Prozent Rebula

Im „Primario“ steckt der Geschmack der Region: 100 Prozent Rebula *

K. Distelbarth: Die Sorte Rebula ist sehr ertragsreich, widerstandsfähig und wächst sehr gut auf kargem Boden, vorzugsweise auf Hügeln und ist auch trockenem Klima gut angepasst. Die Traube zeichnet sich durch ihre gelbe Farbe und eine dicke Beerenhaut aus, weswegen sie, neben dem etwas herben Geschmack, nicht unbedingt eine Köstlichkeit „zum so essen“ ist. Der Wein ist neutral in der Nase und kann sehr unterschiedlich ausgebaut werden (siehe weiter unten).

Auf Ihrer Website haben wir gelesen, dass Ihre Weine hauptsächlich im Weinberg entstehen und dass Sie nach ökologischen Prinzipien arbeiten. Geben Sie uns einen kleinen Einblick?

K. Distelbarth: Nun, wir arbeiten weitgehend nach ökologischen Richtlinien, sind aber nicht als ökologischer Betrieb angemeldet. Wir haben uns bisher das Hintertürchen offengehalten, die Weinreben auch mit nicht ökologischen Mitteln behandeln zu können, tun das aber nur in schwierigen Ausnahmefällen. Dieses Jahr noch gar nicht. Der Rest unseres Anbausystems entspricht tatsächlich allen ökologischen Bestimmungen und wir werden uns in Bälde auch als ökologischer Betrieb anmelden.

Gehegt und gepflegt - die Weintrauben des Atelier Kramar

Gehegt und gepflegt – die Weintrauben des Atelier Kramar *

In den Weinbergen ist alles Handarbeit bis auf das Spritzen und Grasmähen; wirverwenden kein Herbizid und keinen mineralischen Dünger und düngen generell nur alle paar Jahre mit Dung. Zudem achten Matjaž und ich auf eine sehr hohe Qualität der Weintraube, was heißt, dass wir eine sehr akkurate Arbeit im Weinberg das ganze Jahr über machen; wir lassen im Schnitt ein Kilo Weintrauben pro Stock zum Reifen. Bis zur Weinlese haben wir tatsächlich fast jede einzelne Weintraube in den Händen gehalten und überprüft. Wir behandeln die Weinreben und Trauben mit genauso viel Hingabe, wie wir ein Kunstwerk behandeln würden – nur dass beim Weinbau natürlich noch andere Faktoren mithineinspielen, allen vorweg die klimatischen Bedingungen des jeweiligen Jahres.

Unseren Weinen wird nur eine geringe Menge Schwefel beigesetzt, bis 2014 auch noch Hefe zur Vergärung, ab 2014 auch das nicht mehr und nur noch sehr wenig Schwefel. Und dann lassen wir den Wein in Holzfässern in Ruhe im Keller reifen, machen auch nur sehr selten eine Umfüllung, bis er dann ungefiltert in Flaschen abgefüllt wird. Seit 2015 sind unsere Weißweine Orangeweine, also mehrere Tage auf der Beerenhaut mazeriert.

Konnten Sie in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse am biologischen Weinbau in Slowenien beobachten oder ist das eher eine Nische? Und gibt es nationale Winzerverbände, die sich dem Thema widmen?

K. Distelbarth: Der ökologische Weinbau findet in unserer Region und in ganz Slowenien immer mehr Interesse, bleibt im Moment aber immer noch eine Nische, genauso wie der „Orange Wine”, den man hier bei sehr vielen Betrieben zumindest in Teilproduktion finden kann. Einen nationalen Verband nur für Winzer gibt es meines Wissens nicht, nur einen, der alle Landwirte einschließt, welcher sich auch immer mehr biologischen Anbaumethoden widmet.

Aber nun zurück zum „sinnlichen” Weinerleben: Sie haben nicht nur Ihre traditionelle „schwarze Küche” zu einem wunderbaren Degustationsraum ausgebaut, sondern bieten auch eine Ferienwohnung für Urlaubsgäste an. Wenn ein Gast Sie fragen würde, wie Ihre Region „schmeckt” – welche Wein-Speisen-Kombination würden Sie ihm oder ihr empfehlen?

Eingang in die "Schwarze Küche"

Eingang in die „Schwarze Küche“ *

K. Distelbarth: Natürlich ist es unabdinglich, den Rebulawein zu kosten, der sehr unterschiedliche Geschmacksformen annehmen kann, je nachdem, wie er an- und ausgebaut wird. Vom Rebula Sekt über den sechs Monate mazerierten Orangewein bis hin zum Dessertwein kann da alles dabei sein. Es ist sehr spannend die ganze Palette bei den unterschiedlichen Winzern zu probieren. Diese unterschiedlichsten Kreationen spiegeln auch sehr gut die Möglichkeiten unserer Region wieder – es ist für jeden etwas dabei…. Wo gut Wein angebaut werden kann, reift natürlich im Sommer auch so manches Gemüse und Obst ganz hervorragend. Eine bestimmte Speise würde ich hier nicht empfehlen, sondern im Sommer einen Gang in den Garten – Tomaten, Auberginen, Paprika, Zucchini, Gurken, …und zu den Obstbäumen – Kirschen, Pfirsiche, Aprikosen, Feigen, Pflaumen,… eigenes Olivenöl und dann der Fantasie freien Lauf lassen…. Selbstgebackenes Brot und ein leckeres Stück Fleisch – direkt beim Bauern gekauft – oder eine selbstgemachte Salami  können  die Gemüse und Obstvariationen abrunden. Ich persönlich bin auch der Meinung, dass ein wirklich guter, naturbelassener Wein, egal ob weiß oder rot, zu allem schmeckt, wenn man Lust darauf hat.

Und in Sachen Kunst: Sie sind ja beide weiterhin nicht nur Winzer, sondern auch Künstler. Hat Ihre Arbeit in Weinberg und –keller Ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst?

K. Distelbarth: Leider ist es so, dass der Weinbau mit allem was dazugehört, also auch Verkauf, Vermarktung und so weiter sehr zeitaufwendig ist und für unsere eigentliche Kunst in den letzten Jahren keine Zeit blieb. Natürlich bleiben wir in der Seele Künstler und unsere Kreativität fließt in die Dinge rund um den Wein und den Betrieb: So haben wir unsere Etiketten selbst gestaltet, unsere Holzkisten für die Magnumflaschen sind selbst gezimmert und jede ein Unikat, die Feuerschale für das gemütliche Zusammensitzen an kühleren Abenden ist selbst gestaltet und zusammengeschweißt, diverse Lampen und Lichter sind selbst kreiert und gemacht, auch Arbeiten am Haus und um das Haus herum machen wir soweit das geht ebenfalls selbst. Mit Sicherheit lässt sich also sagen, dass aus der vorwiegend abstrakten Kunst eine eher alltagsbezogene Kreativität geworden ist, was aber nicht heißt, dass das für immer so bleiben wird…

Vielen Dank für Ihre Zeit! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg – für Ihren Wein und die Kunst – und sind gespannt auf die kommenden Kreationen aus dem Atelier Kramar!

Weitere Informationen zum Atelier Kramar, seinen Weinen und der Kunst der beiden Inhaber gibt es unter atelier-kramar.si.

*) Alle Fotos im Beitrag stammen von Matjaž Kramar, Katja Distelbarth und Mateja Nikolić.

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